Auf der Ersatzbank - Belohnung oder Strafe? - kajabredemeyer.de
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Auf der Ersatzbank – Belohnung oder Strafe?

Kaja Bredemeyer Beratung und Coaching

Bei meinem letzten Besuch in Berlin saß ich mit meiner Freundin Maxi auf ihrem roten Sofa und wir kamen auf meine sportliche Vergangenheit zu sprechen. Besonders interessierte sie, welche einschneidenden Erlebnisse in meiner Volleyball-Karriere meine heutige Ausrichtung als Coach und Trainerin besonders prägen.

Oha, nichtsahnend hatte sie hier eines meiner leidenschaftlichsten Themen angetriggert. Dementsprechend wurde sie von mir erst mal mit ausschweifenden Erzählungen bedacht, die alle von ganz viel Schweiß, heißen Tränen, endlosen Trainings, körperlichen Schmerzen und ebenso schmerzlich vermisster Studentenfreizeit handelten. Aber auch von jeder Menge Leidenschaft, Engagement, Selbstdisziplin und Gemeinschaftssinn.

Meine Zeit in der Volleyball-Bundesliga war die aktivste. Und ja, es war echt hart, fünfmal die Woche die 60-minütige Anfahrt in Kauf zu nehmen, um dann jeweils drei intensive Stunden zu trainieren (ohne Bezahlung – Spielerhonorare gab es zu diesem Zeitpunkt in der Bundesliga keine). Mit fünf Spielerinnen fuhren wir damals von Montag bis Freitag gemeinsam von Osnabrück nach Vechta zum Training. Egal ob fit oder krank. Warst du auch nur an einem Abend wegen Krankheit nicht beim Training, hattest du das folgende Spielwochenende kaum eine Chance unter den ersten Sechs zu sein – also kein Einsatz. Selbst wenn du am Wochenende beim Punktspiel wieder fit warst, wurdest du auf die Ersatzbank verbannt. Ein bis zwei Fehler bei einem Spiel? Ersatzbank, selten ein erneuter Einsatz. Da ich supergerne gespielt habe, war es eine Selbstverständlichkeit für mich, auch krank zum Training zu gehen. Natürlich konnte ich nicht meine volle Leistung bringen, machte Fehler und landete auf der Ersatzbank – und der Teufelskreis begann. Bewusstsein für die eigene Gesundheit und Achtsamkeit für die eigenen Bedürfnisse oder Grenzen wurden in dieser Zeit weder gelebt noch gelehrt.

Ganz anders wurde das Thema Eigenverantwortung später beim USC Münster vermittelt. Unser Trainer Carl sagte uns von Anfang an: Wenn du krank bist, bleibst du zu Hause und schonst dich. Denn wenn du beim Training bist, erwarte ich hundertprozentige Leistung von dir. Kannst Du diese nicht abrufen, wirst du nicht spielen. Plötzlich war ich für mich selbst verantwortlich, musste bzw. durfte entscheiden, ob es gut für mich ist, zu trainieren, oder besser nicht. Das war richtig schwer für mich, da ich durch die vergangenen Jahre völlig anders geprägt war. Wenn ich bei Carl während des Spiels Fehler machte, holte er mich zwar auch auf die Ersatzbank, ließ mich dort aber ausruhen und schickte mich dann wieder ins Spiel. Die eindeutigen Vorteile seiner unterstützenden Haltung uns Spielerinnen gegenüber erkannte ich jedoch erst viele Jahre später. Meine Gesundheit stand damals einfach nicht an erster Stelle. Das waren stattdessen die Leistung und das gemeinsame Erlebnis, mit der Mannschaft zu gewinnen.

Ach ja, Maxi, du hattest mir ja eine ganz konkrete Frage gestellt … Die Antwort kommt jetzt: Meine allerbeste Saison als Spielerin war die, in der ich nur noch zweimal die Woche trainieren konnte. Eigentlich hatte ich meine Bundesliga-Karriere nach Eintritt ins Berufsleben schon an den Nagel gehängt. Viermal die Woche nach Münster zum Training zu fahren, war einfach nicht mehr drin. Jedoch wurde ich sowohl von meiner Mannschaft als auch von Trainer Carl eingeladen, auch mit nur zwei Trainingseinheiten pro Woche weiterzuspielen. Und siehe da, mein Körper war ausgeruhter, ich hatte noch mehr Freude und spielte DIE Saison meines Lebens.

Die Weisheit, mit der Carl uns damals trainierte, ist mir erst Jahre später wirklich bewusst geworden. Er half uns, in Bezug zu uns selbst zu kommen, uns selbst so zu führen, dass unser Geist und Körper in Balance sind. Unsere Bedürfnisse in jedem wichtigen Moment genau zu erkennen und diesen nachzukommen. Sich Auszeiten zu gönnen, wenn es nötig ist, und vollen Einsatz zu zeigen, wenn er abrufbar ist. Was für eine Menschenführung!

Genau diese Weisheiten haben meine eigene innere Haltung als Coach und Trainerin nachhaltig geprägt …, liebe Maxi. Und danke, dass Du mich nochmal daran erinnert hast. Mit meinen Kunden gemeinsam auszuloten, was es für sie genau braucht, um gesund, glücklich und kraftvoll durchs Leben zu schreiten, ist mir ein echtes Anliegen.